Auf meiner alten Homepage gab es zwei Bauanleitungen für einen Edo und einen Wanwan Drachen, die anderen Drachenbauern immer wieder als Vorbild für kreative Eigenbauten gedient haben. Nun ist die Homepage schon lange geschlossen und bisher hatte ich nie die Zeit, einen meinem Stand der Technik entsprechenden Bauplan für einen Edo im westlichen Stil, also aus Spinnaker und Kohlefaser, zu schreiben. Neue Anfragen nehme ich zum Anlass, einmal zusammen zu stellen, wie ich einen Edobau angehe. Einige der Kniffe und Tricks habe ich mir selbst erarbeitet, andere stammen von befreundeten Drachenbauern, insbesonders vom „Master of Edo“ , Bas Vreeswijk aus Holland und von Ralf Maserski aus Dortmund.
Die Maßangaben für die Einzelteile sind nur ganz grob beschrieben, sie sind individuell, jeweils abhängig von der gewählten Baugröße, anzupassen. Ich wähle für diese Anleitung eine Bauhöhe von circa 2,40 m und eine Breite von 1,60 m, das entspricht schon ziemlich dem klassischen Verhältnis zwischen Höhe und Breite, die in Japan bevorzugt wird.
Viele meiner Drachen sind deutlich schlanker, das ist aber immer abhängig vom Motiv und den persönlichen Vorlieben. Auf der Zeichnung habe ich einmal ein paar Maßbeispiele dargestellt, die ich schon als Drachen gebaut habe.
Zunächst braucht es ein schönes Segel. Ich würde auf jeden Fall ein sehr hochwertiges Tuch, zum Beispiel Chikara bevorzugen. Wer sich die viele Arbeit macht einen Edo zu bauen, darf unter keinen Umständen am Material sparen. Die preiswerten Tücher in der sieben Euro Klasse mögen für stablose Drachen gute Dienste leisten, für einen Edo taugen sie meiner Meinung nach nicht.
Es stehen alle Drachenbautechniken, Kappnähte, Paneeltechnik, Applikation, Malerei und Airbrush oder Transferdruck zur Auswahl. Ich verwende sehr häufig Mischtechniken, da ich ein sehr fauler und nachlässiger Applizierer bin. Auch der Motivwahl sind keine Grenzen gesetzt: geometrische Muster, Ausschnitte aus Manga oder Comic Zeichnungen, freie Malerei. Der Edo ist zu aller erst einmal eine große Leinwand, die gefüllt sein möchte.
Wenn das Segel fertig ist, sollte es so planeben wie möglich sein. Jede Welle, die durch eine Applikation oder eine schlechte Naht entstanden ist, wird sich im aufgespannten Drachen abbilden.
In einem ersten Schritt wird das Tuch noch einmal nachgeschnitten, so dass es genau rechtwinklig ist und die Diagonalen beide gleich lang sind.
Nun werden vier große quadratische, neun kleine quadratische, zwölf trapezförmige Verstärkungen für die Randbereiche benötigt. Ich nehme dazu üblicherweise weißes kunststoffkaschiertes Dacron, auf das ich mit einer Doppelklebefolie von 3M die jeweilige Untergrundfarbe des Seglers klebe. Ich finde schwarze Verstärkungen auf gestalteten Drachenflächen unpassend und habe auch schon nahezu durchsichtiges Cuben Laminat für Verstärkungen verwendet, um das Motiv so wenig wie möglich zu stören.
Die Verstärkungen werden mit dem oben beschriebenen Klebeband auf der Drachenrückseite vollflächig verklebt. Wer möchte, kann das ganze noch mit einem weiten Zickzackstich abnähen. Bei Verwendung des Klebebandes ist dies aber eigentlich nicht notwendig, die Verklebungen lösen sich nur sehr schwer. Nun wird das Segel an allen vier Seiten mit einem mittig gefalzten Spinnakerstreifen von etwa 2-3 cm Breite eingefasst. Ich säume zuerst die Längsseiten und benutze eine dreifach Zickzacknaht auf der Bandinnenseite. Danach schneide ich die überstehenden Enden ab und nähe die kurzen Seiten. Diese sollten dann nicht mit dem Messer abgeschnitten werden, sondern mit einem heißen Lötkolben. Dann geht das Ende nicht mehr auf.
Als Nächstes werden die Spannschlaufen aufgenäht. Sehr gut eignen sich dafür eng geflochtene Polyester Leinen, zum Beispiel die Zyklon PSE 50. An den Längsseiten werden die Schlaufen mit 30-50 mm Überstand über das Segel gelegt und auf der Verstärkung mittig mit Malerkrepp fixiert. Danach wird mit einem engen Zickzack die Schlaufe mit der Verstärkung und dem Segel verbunden. Ganz am Ende der Naht stellt man die Nähmaschine auf Stichweite null und verriegelt 3-5 mal auf der Stelle. Alles in allem müssen so 22 Schlaufen angenäht werden. Die losen Enden, die Richtung Drachenmitte zeigen, werden mit einem dünnen Japanspachtel aus Stahl unterlegt und dann mit einem Lötkolben fransenfrei abgeschnitten.
Es hat sich gezeigt, dass der obere und untere Querstab in einer Stabtasche geführt sein sollten damit die Querstäbe nicht über den Rand hinaus rutschen. Dazu wird ein Streifen aus Spinnakernylon in Segelfarbe, circa 30 mm breit und etwa 15 cm schmäler als die Drachenbreite an der Stelle aufgenäht, wo später der untere und obere Querstab zu liegen kommen. Die erste Naht wird links herum gemacht, dann umgefalzt und die zweite Naht nach Einschlag der Schnittkante wird von oben nach unten geführt. Auch hier zeigen zwei Bilder mehr als 1000 Worte.
Jetzt sind die Näharbeiten abgeschlossen und der Drachen wird zum ersten Mal eingestabt. Fünf Querstäbe werden etwa 3-4 cm länger als der Drachen breit ist abgeschnitten und mit Endkappen versehen. Ich bevorzuge die Endkappen von Elliott, da dann die Schlaufen tatsächlich dort bleiben, wo sie hin gehören und nicht lose heraus fallen.
Die gegenüberliegenden Schlaufen werden mit einer Spannschnur zum Beispiel als 90 DaN Waageleine verbunden, entweder mit einem Schnurspanner oder noch eleganter mit einem Schiebeknoten. Die Querstäbe werden zwischen den Schlaufen eingesetzt und nur ganz leicht gespannt, so dass sie sich gerade noch nicht verbiegen.
Die Längsstäbe und Diagonalen, die bei dieser Drachenhöhe vorzugsweise zweiteilig mit Messingmuffen zusammengefügt sein sollten, werden ebenfalls in den oberen Spannschlaufen eingehängt und am unteren Ende jeweils mit einer Perlenschnur ganz leicht gespannt. Die Perlenschnur wird auch aus Waageleine hergestellt und sollte so etwa 4-6 Holzperlen, 6 mm Durchmesser enthalten. Damit ist der Drachen jederzeit an die unterschiedlichen Luftfeuchtigkeiten anzupassen. An allen Kreuzungspunkten, die später eine Waagenleine erhalten, wird durch die Verstärkung hindurch ein Loch mit einem Lötkolben gebrannt, gerade so groß, dass die Waageleine nebeneinander durch passt. Nun werden die Anbindeleinen als etwa 40 cm lange Abschnitte von Waageleine hergestellt, um die jeweiligen Stabkreuzungen geschlungen und mit einer doppelten Bucht versehen. Die losen Enden werden durch das Segel nach vorne und dazu noch durch einen transparenten Wäscheknopf gefädelt und verknotet. Der Anbindeknoten, der später die lange Edowaage aufnimmt wird, etwa 8-12 cm vor dem Segel als einfacher Kreuzknoten ausgeführt.
Jetzt kann man zum ersten Mal die Querstäbe gleichmäßig durchspannen, bei einem Drachen diese Größe etwa 16-20 cm stark, danach werden die Längs- und dann die Querstäbe durch Verschieben der Perlenkette angezogen.
Jedesmal, wenn ich Georges Hennet, den Vorstand des DC Schaffhausen auf einem Drachenfest getroffen habe, war es der gleiche Spruch: "Du Heinrich - wir müssen da mal etwas besprechen". Von Seiten des Clubs gab es den Wunsch, gemeinsam einen Workshop zum Thema "Edo" zu durchzuführen. Wegen Hausbau und anderen Tätigkeiten im Büro war aber nie genug Zeit und Muse, so ein Projekt anzugehen. Im Frühjahr 2016 sollte es aber nun endlich gelingen: der Workshop wurde auf den 08. - 10. April 2016 festgelegt.
Schon immer haben die Drachen, die beim DC SH gebaut werden, sowohl eine Gemeinsamkeit als auch ein Unterscheidungsmerkmal in sich vereint. Meist war es das einheitliche Design für alle und eine Akzentfarbe für jeden Einzelnen zur Individualisierung des Drachens.Diese Idee habe ich aufgegriffen und ein Motiv entwickelt, welches die Drachen verbindet und trotzdem jeden als Einzelstück charakterisiert. Mit einer stilisierten, in sechs Einzelteile zerlegten nordischen Fjordlandschaft hatte ich ganz offensichtlich den Geschmack der Teilnehmerinnen und Teilnehmer getroffen. Für insgesamt dreizehn Clubmitglieder wurden die sechs Entwürfe dann eben einfach immer wieder gespiegelt und nur die beiden Drachen mit der Nummer 1 und Nummer 13 sind identisch.
Die Vorbereitung war recht kompliziert und komplex, da sie nur in meinem Kopf und einigen Exceltabellen stattfand. Der Grund ist ganz einfach in der Tatsache zu suchen, dass die Schaffhausener es gewohnt sind, die Vorbereitung am Freitag Nachmittag und Abend selbst in die Hand zu nehmen.
Im folgenden nun einige Bilder des Workshop, der mit schweizerischer Pünktlichkeit am Sonntag Nachmittag mit Erstflug und Gruppenbild aller 13 Edos endete.
Für die Albflyer, die für die Drachenfeste in Gerstetten und Laichingen verantwortlich zeichnen, habe ich vor Jahren schon einmal zwei Workshops durchgeführt. Meinen ersten Workshop überhaupt zum Thema Revolution und einen weiteren zum Thema Edo. Als mich Martin Haug im Sommer 2012 fragte ob ich nicht Lust hätte mal wieder einen Workshop zu machen, fiel mir die Entscheidung nicht schwer, denn ich hatte einen Drachen im Visier, der bequem an einem Tag zu erstellen ist und dessen Plan auf der Seite des östereichischen Drachenforums "Leinenzupfer" veröffentlicht und für alle Drachenbauer freigegeben ist. Ich dachte an den Havlicek Delta, erfunden von den Gebrüdern Havlicek aus Wien und gepflegt und immer wieder gebaut vom Wiener Drachenbauverein.
Ich habe mir für den Workshop ein einfaches und prägnantes Design ausgedacht, dass die geschweifte Schnittkante des Drachens in der Segelfläche nachbildet und aus vielen Streifenabschnitten, deren gemeinsames Zentrum die Drachenspitze ist. Wie immer bei den Workshops der Albflyer gibt es eine kühle und eine warme Farbvariante, durch Austausch der Grundfarbe ist es sehr einfach möglich, viele individuelle Drachen zu bauen, die aber zusammen ein stimmiges Bild am Himmel ergeben.
Zur Vorbereitung des Workshops habe ich die Streifen Designs ausgeschnitten und zusammen geklebt sowie alle Einzelteile die zum Bau des Drachens notwendig sind als Paket zusammengestellt. Die Albflyer haben den Stoffzuschnitt vorab erledigt. Am Workshop Tag konnte jeder Teilnehmer seinen vorbereiteten Bausatz übernehmen und sofort mit der Arbeit beginnen. Aufgrund des hohen Grades der Vorfertigung und der Erfahrung der Teilnehmer war es ganz entspannt möglich, gegen 17:00 Uhr alle Drachen fertig zu stellen und sich zum obligatorischen Gruppenbild zu treffen.
Der einzige der keinen Drachen baute war ich, aber das ist nicht weiter schlimm, habe ich doch an diesem Workshop gelernt dass es sinnvoll ist mit zwei Gruppen zu arbeiten, die versetzte Arbeitsschritte gleichzeitig ausführen und so Engpässe und Wartezeiten zum Beispiel beim Ausschneiden der Wellen zu vermeiden.
Als dann alle Drachen zusammen beim Drachenfest in Geretteten und Laichingen am Himmel standen war ich schon ein bisschen stolz an dieser Gruppenarbeit beteiligt gewesen zu sein.
Heinrich Hohmann
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